Bachelorarbeit aus dem Jahr 2017 im Fachbereich Klassische Philologie - Latinistik - Literatur, Note: 1,0, Ludwig-Maximilians-Universität München, Sprache: Deutsch, Abstract: Claudius Claudianus gilt als der berühmteste spätlateinische Dichter an der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert. Er wirkte am Mailänder Kaiserhof unter Theodosius und Honorius und erfreute sich der besonderen Protektion des magister utriusque militiae Flavius Stilicho. Die beiden zeitgeschichtlich-politischen Invektiven gegen den 395 n. Chr. in Konstantinopel ermordeten Rufinus, der unter Kaiser Arkadios die Geschicke von Ostrom bestimmte, bedienen sich einer opulenten mythologischen Unterweltmotivik, die aus der gesamten lateinischen und griechischen Tradition schöpft und intertextuelle Anspielungen auf Vergils Aeneis, Senecas Apocolocyntosis sowie die Thebais von Statius enthält. Rufin wird vom Dichter u.a. als eine Ausgeburt der Hölle sowie als Ziehsohn der Erinnyen dargestellt, die ihn nach Konstantinopel senden, um den Frieden im Römischen Reich zu untergraben. Am Ende des zweiten Buches wird Rufin von empörten Soldaten ermordet und dem Totengericht von Minos, Rhadamanthys und Aiacus überantwortet.Die vorliegende Studie widmet sich einer genauen poetologischen Untersuchung der narrativen Funktion der mythologischen Unterweltmotivik bei der Darstellung zeitgenössischer Personen. Kritisch diskutiert wird dabei u. a. die verbreitete These, Claudian habe durch die literarische Wiederbelebung der paganen Mythologie eine Repaganisierungspolitik gegen ein mehrheitlich christliches Umfeld vertreten. Demgegenüber kann jedoch gezeigt werden, daß für Claudian das intertextuelle Spiel mit klassisch-paganen Mythologemen vielmehr eine rhetorisch wirksame Hintergrundfolie bietet, vor der sich die Zeitgeschichte um so wirkungsvoller abhebt. Dabei kommt v.a. das rhetorische Schema der Überbietung zum Zuge: Rufin erscheint als historische Person schlimmer als alle Bösewichter der klassischen Mythologie zusammen, sein Gegenspieler Stilicho (der Mäzen des Künstlers) erscheint umgekehrt als Inbegriff der Tugenden, der die antiken Helden wie Herakles, Perseus etc. noch übertrifft. Claudian erreicht durch die reizvollen Durchblicke zwischen Mythos und Politik eine rhetorische effektvolle Inszenierung - abgesehen davon, daß es für den gebildeten Leser ein Genuß war, die claudianische Verfremdung seiner literarisch-mythologischen Vorbilder zu dechiffrieren. Die vorliegende Arbeit diskutiert zur argumentativen Untermauerung die wichtigsten und neuesten Studien aus der Sekundärliteratur zu Claudian.