Studienarbeit aus dem Jahr 2018 im Fachbereich Jura - Öffentliches Recht / Staatsrecht / Grundrechte, Note: 13, Ludwig-Maximilians-Universität München, Veranstaltung: Moralpolitik und Verfassungsrecht, Sprache: Deutsch, Abstract: Seminararbeit unter Leitung des Bundesverfassungsgerichtspräsidenten a.D. Prof. em. Dr. Dres. h.c. Hans-Jürgen Papier.Die bald 70 Jahre des Grundgesetzes, die bislang längste Zeit der Gültigkeit eines deutschen Verfassungsdokumentes, wurden und sind geprägt von einer staatsrechtlichen Dynamik, welche ihre Ursprünge insbesondere in einer rasanten technischen Modernisierung, gesellschaftlichen Pluralisierung und einem damit einhergehenden Wertewandel hat. Dabei kommen immer wieder Konfrontationen zwischen Wandlungen, wie sie der historische Gesetzgeber kaum voraussehen hätte können und den Werteentscheidungen des Grundgesetzes zustande. Die emanzipatorische Bewegung der Frau, Fortschritte in der Reproduktionsmedizin, Migrationsströme sowie die voranschreitende digitale Revolution sind nur einige bedeutende Beispiele. Dies verlangt Literatur, Rechtsprechung und Gesetzgeber eine stetige Auseinandersetzung insbesondere mit der Grundrechtsdogmatik ab. Dies hatte seit Gültigkeit des Grundgesetzes 16 textliche Änderungen des Grundrechtekataloges zur Folge (Stand: September 2017) , ungeschriebene Grundrechte wurden durch richterliche Rechtsfortbildung geschaffen sowie bestehende einer stetigen verfassungsmäßigen Kontrolle und Interpretation unterzogen.Doch wie gelingt eine grundrechtliche Anpassung an die gesellschaftliche Realität und einem einhergehenden Wertewandel, wenn doch eine funktionierende Verfassung zugleich Sicherheit und Ordnung stiften soll und gleichzeitig als wichtiges Kriterium der Gesetzesinterpretation der Wortlaut der entsprechenden Norm gilt?Dies setzt zwingendermaßen eine hinreichend ausdifferenzierte und notwendigerweise komplexe Systematik voraus, welche einerseits durch einen verbindlichen, objektiven Rahmen eine gewisse Ausprägung und Festigung bildet, andererseits aber genügend Raum lässt für einen progressiven Diskurs, welcher die gesellschaftliche Realität reflektiert. Erstmalig im richtungsweisenden Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts als objektive Wertordnung benannt, wird diese Systematik insbesondere durch die zweite Dimension der Grundrechte konstituiert: Diese dienen zwar primär als Abwehrrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat, stellen in ihrer Gesamtheit aber gleichzeitig eine objektiv-rechtliche Wertordnung dar , die eine Ausstrahlungswirkung auf die Gesamtheit der Rechtsordnung entfaltet. Diese zweite Dimension der Grundrechte soll in dieser Schrift umfangreich erschlossen werden.