Während einer langwierigen Krankheit im letztenHerbst und Winter fand ich endlich Zeit, meine längstangelegten Sammlungen von böhmischen und mährischenSagen und Gebräuchen zu ordnen und für denDruck vorzubereiten. Ich habe die Reihe dieser Publicationenmit den böhmischen Volkssagen eröffnet,weil für diese bisher am wenigsten geschehen war.Die böhmischen Gebräuche sind schon vielfach gesammeltund auch von dem berühmten slavischenMythologen HanuS1 in ausgezeichneter Weise für dieWissenschaft verwerthet worden. Die Sage dagegenist bisher größtentheils den Belletristen anheimgefallen,die sie nach dem Geschmacke des Publicums romantischbearbeiten und bis zur Unkenntlichkeit entstellen.In vielen Fällen haben diese romantischen Bearbeitungendie echte Volkssage, die ihnen zu Grundelag, bereits so verdunkelt, daß ihre ursprüngliche Gestaltnicht mehr aufzufinden war. So die äußerst interessanteSage von der Hexe Wela und dem wildenJäger des Hundsteins bei Teplitz, die nur deshalb inmeine Sammlung nicht aufgenommen werden konnte.Für diese belletristischen Bearbeiter der Sagen hattenaußerdem die Burgsagen mit ihren Rittern und Edelfräuleinden meisten Reiz und diese Sagen überwu-chern nun, besonders in deutschen Gegenden, fast alleandere Volksüberlieferung. Unter den Slaven aber istdas Märchen viel beliebter als die Sage und so habensich dann alle cechischen Schriftsteller, die nachvolksthümlichen Stoffen suchten, vorzugsweise diesemzugewendet.2Die gegenwärtige Sammlung ist der erste Versuch,endlich auch die echte böhmische Volkssage der Wissenschaftzuzuführen. Nur Weniges konnte ich aus älterenQuellen und früheren Sammlungen benützen;das meiste bot noch Vernalekens treffliches BuchMythen und Bräuche in Oesterreich, das denn auchallerwärts die ihm gebührende Berücksichtigung gefundenhat. Die meisten Sagen schöpfte ich unmittelbaraus dem Munde des Volkes. Die Mittheilungenwaren so zahlreich, daß ich nur den geringeren Theilderselben in den gegenwärtigen Band aufnehmenkonnte, und jene Herren, deren freundliche Mittheilungenich diesmal nicht benützen konnte, bitten muß,die Fortsetzung abzuwarten, die sich zwar vorzugsweisemit mährischen Sagen beschäftigen wird, aberauch die Lücken der gegenwärtigen Sammlung so vielals möglich ergänzen soll. Wenn sich der Umfang desWerkes nicht über Gebühr ausdehnen sollte, so konnteich diesmal aus den einzelnen Sagengruppengleichsam nur Beispiele geben. Noch während desDruckes sind mir sehr viele schöne Sagen zugekom-men, die ich alle zurücklassen mußte, weil die Abtheilungen,in die sie gehörten, bereits geschlossen waren.Anmerkungen habe ich den einzelnen Sagen nichtbeigefügt. Für das größere Publicum hätten sie dasWerk nur unnütz angeschwellt und für die Gelehrtenmüssen solche Anmerkungen, wenn sie wirklich fördernsollen, von Meisterhand geschrieben werden.Dagegen habe ich den einzelnen Sagengruppen Einleitungenvorangeschickt. Sie sind durchaus für dasgrößere Publicum berechnet. Ich hatte die Absicht,durch dieselben in meinem Vaterland ein größeresVerständniß für die einheimische Sage und ein allgemeineresInteresse dafür anzuregen. Doch habe ich indieselben zuweilen mündliche Mittheilungen über dieSagen anderer slavischen Völker verwoben, die vielleichtauch der Wissenschaft einiges Interessante bietendürften.