Jeder Sprachunterricht transportiert unausgesprochen seine eigene Voraussetzung: Verständigung ist möglich! Gleichgültig, wie groß die Distanz oder gar Feindschaft gegenüber einer Sprachgemeinschaft ist: Ihre Sprache zu lernen bedeutet immer auch den Erwerb von Mitteln, um sich mit ihren SprecherInnen zu verständigen (im umfassenden Sinn dieses Verbs). Umgekehrt bedeutet demzufolge die Weigerung, eine Sprache zu lernen oder zu vermitteln, Verständigungsmauern zu errichten oder zu zementieren.In diesem Sinne ist Sprachvermittlung eminent politisches Handeln, gerade, weil sie nicht von bestimmten politischen Strategien vereinnahmt werden kann. In diesem Sinne greift es auch zu kurz, wenn man Flüchtlingen die deutsche Sprache bloß als Handwerkszeug zur Orientierung im Lande vermitteln zu müssen glaubt. Erst wenn man Sprachvermittlung als Arbeit an der Verständigung begreift, wird klar, warum diese Arbeit auch für die Lehrenden eine Bereicherung darstellt: Denn Verständigung ist notwendigerweise wechselseitig. Sich für die Verständigungsarbeit mit den vielen von sehr weither zu uns Geflohenen zu engagieren, ist nicht bloß ein humanitärer Akt, sondern es ist das Ergreifen der Chance, unsere ergrauende Gesellschaft vor dem Abgleiten ins globale Hinterwäldlertum zu bewahren.Mit OBST 89 soll allen an Sprachvermittlung an Flüchtlinge Beteiligten und Interessierten Informationen und Anregungen gegeben werden; in dem Band werden u.a. Vermittlungsprozesse beschrieben, Probleme analysiert und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt.INHALT: Franz Januschek: Flucht_Punkt_Sprache: Editorial; Jürgen Erfurt: Fluchtpunkt Mayotte - und die Sprachen Frankreichs; Yannick Walthert: Kommunikative Herausforderungen bei der Fallherstellung im Asylverfahren; Eduard Haueis: Charab Al. - Fluch(t)punkt Sprache im Roman Ohrfeige von Abbas KhiderConstanze Spieß: Zäune oder bauliche Maßnahmen für eine Festung Europa. Das Sprechen über Fluchtbewegungen und Migrant*innen im öffentlich-politischen Diskurs; Brigitta Busch: Sprachliche Verletzung, verletzte Sprache: Über den Zusammenhang von traumatischem Erleben und Spracherleben; Verena Plutzar: Sprachenlernen nach der Flucht. Überlegungen zu Implikationen der Folgen von Flucht und Trauma für den Deutschunterricht Erwachsener; Christoph Bräuer & Darja Elster: Sprachunterricht mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen - Reflexion eines situativen Problemlöseversuchs; Daniela Schwarz: Das Pilotprojekt ,Funky Wisdom' - Hip-Hop und Rap als erster Einstieg in die deutsche Sprache; Eduard Haueis: Blinde Flecken in der didaktischen Wahrnehmung: Alphabetisierung Erwachsener in der Zweitsprache Deutsch; Manuela Böhm & Ulrich Mehlem: Fluchtpunkt Deutsch: Alphabetisierung von Kindern mit Arabisch als Erstsprache in Frankfurter Intensivklassen; Jana Gamper & Christoph Schroeder: Sprachliche Bildung für Neuzugewanderte. Ein Plädoyer für einen erwerbssequentiellen Ansatz; Claus Altmayer & Michael Dobstadt (v.i.S.d.P.): Leipziger Erklärung der DaF/DaZ-Institute in Deutschland zur sogenannten Flüchtlingskrise; Hagen Steinhauer: Rezension: Mathias, Alexa (2015): Metaphern zur Dehumanisierung von Feindbildern. Eine korpuslinguistische Untersuchung zum Sprachgebrauch in rechtsextremen Musikszenen