Studienarbeit aus dem Jahr 1998 im Fachbereich Germanistik - Ältere Deutsche Literatur, Mediävistik, Note: 2,0, Westfälische Wilhelms-Universität Münster (Institut für Deutsche Philologie II), Veranstaltung: Hauptseminar: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, Sprache: Deutsch, Abstract: Wenn es auf den ersten Blick auch scheint, als sei die Continuatio nur eine anekdotische Weiterführung der Simplicianischen Lebensgeschichte, so läßt die eingehende Untersuchung etlicher Episoden noch eine spezielle Bewandtnis erkennen. Die scheinbar einfache Erzählung abenteuerlicher Geschehnisse und Taten erweist sich als durchsetzt mit poetologischen Motiven. Diese sind so in die Ereigniserzählung integriert, daß sie kaum wahrgenommen werden können, wenn man nicht beachtet, daß es sich um traditionelle, d.h. vom Mittelalter bis ins Barock bekannte Deutbilder und Gleichnismotive der Poetik und Hermeneutik handelt.Das Thema der vorliegenden Arbeit beschreibt die Stellung des viel diskutierten sechsten Buches, der Continuatio, in Grimmelshausens 'Simplicissimus Teutsch', welches sich bei näheren Untersuchungen durch Form, Inhalt und Funktionsdifferenzen von der scheinbar abgeschlossenen Konzeption des Romans abgrenzt.Wurde die Continuatio in der bisherigen Grimmelshausenforschung häufig als ein rein kommerzielles Produkt betrachtet, gestützt durch die ungewöhnlichen Publikationsumstände, die bereits im fünften Buch abgeschlossenen thematischen Rundungen und der häufig auftretenden Widersprüche und Wiederholungen im sechsten Buch, versucht Hubert Gersch mit seiner Geheimpoetik, auf dessen Werk ich meine Arbeit stütze, mittels der Tradition der spirituellen Auslegungskraft des Mittelalters, einer Allegorisierung analog zur Bibel, die Continuatio als ein vom Autor verschlüsselter Kommentar, mit der Funktion eines erläuternden und rechtfertigenden Nachwortes zum gesamten Simplicissimus Roman, zu beschreiben.Daher soll zu Anfang dieser Hausarbeit das sog. 'Continuatio-Problem', welches die Grimmelshausenforschung seit Jahrzehnten beschäftigt, aufgegriffen werden, um einen neuen Forschungsansatz herauszustellen. Es sollen unter anderem die, wie Gersch beweisen kann, zu unrecht ausgesprochenen Vorwürfe des plagiierens gegenüber dem Autor mittels inhaltlicher und strukturanalytischer Betrachtungen im zweiten Kapitel exemplarisch aufgeklärt und erläutert werden.Die Continuatio soll hier aus einer allegorischen Perspektive betrachtet werden und so soll im Verlauf dieser Arbeit, mittels zahlreicher Beispiele und unter Hilfenahme des 'sensus spiritualis' in Anlehnung an die Bibelexegese, die Funktion der Continuatio aus einem anderen, auf den ersten Blick nicht zu erkennenden, Blickwinkel beurteilt werden.