Vierzig Jahre, nachdem Hanns Wilhelm Eppelsheimer mit einem Kreis deutscher Emigranten in der Schweiz verabredete, eine Sammlung der zwischen 1933 und 1945 im Ausland erschienenen Literatur deutscher Exilanten für die junge Deutsche Bibliothek in Frankfurt durchzuführen, werden die Kühnheit dieses Entschlusses, seine bibliothekarischen Konsequenzen und Perspektiven nicht allein in der Darstellung der Geschichte der Sondersammlung deutlich. Vielmehr sind es auch die alltäglichen bibliothekarischen Herausforderungen dieses besonderen Sammelgebiets, die zur Auseinandersetzung einerseits mit den Lebens- und Publikationsbedingungen des Exils, andererseits mit den historischen und politischen Hintergründen zwingen - auch, da eine Fülle von biographischen und bibliographischen Hilfsmitteln, erprobte Arbeitshilfen und kooperierende Partner sowie eine interessierte Öffentlichkeit und wissenschaftliche Diskussion zur Zeit der Herausgabe diesen Buches vorhanden sind. Vorangegangen sind die schwierigen Wege der Erwerbung, die Probleme mit ungewöhnlichen Publikationsformen, getarnten Schriften, camouflierter Verfasserschaft, mit außergewöhnlichen Erscheinungsweisen und Verlagen. Der Sammelauftrag umfasste damals eine unbekannte Literatur von größtenteils unbekannten, weil vergessenen, verbotenen, verdrängten Autoren in teilweise unbekannten Formen und mit fremden Inhalten.Die Geschichte des ,,Deutschen Exilarchivs 1933-1945 ist die eines interessanten und ungewöhnlichen Projekts innerhalb der Deutschen Bibliothek, die als ,,Gegenwartsarchiv (Bernhard Fabian) hier ausnahmsweise retrospektiv sammelt. Nicht nur das Sammelobjekt selbst, die Publikationen Tausender aus dem Land getriebener literarischer, journalistischer, politischer und wissenschaftlicher Autoren, Verleger, Buchkünstler und Übersetzer, sondern auch die Bedingungen des Sammelns und bibliographischen Verzeichnens haben dem Deutschen Exilarchiv und damit der Deutschen Bibliothek ein neues Aufgabenfeld eröffnet. Darüber hinaus umfasst die Arbeit des Deutschen Exilarchivs Erschließung in bibliographischer und inhaltlicher Hinsicht sowie intensive Öffentlichkeitsarbeit (Ausstellungen); durch eigene Publikationen erhielt die Exilforschung wichtige Impulse.Demzufolge versucht diese vorliegende Darstellung, diesen Aufgabenkomplex des Deutschen Exilarchivs in seiner Entstehung zu beschreiben, ohne die bibliothekarischen Besonderheiten zu vernachlässigen. Vorangestellt wird das gegensätzliche Schicksal zweier Bibliotheksprojekte im Exil, bei denen etwas aktuell von den Zeitgenossen versucht wurde, das dem Selbstverständnis des Deutschen Exilarchivs heute sehr verwandt ist. Ein geschichtlicher Abriss soll den Aufbau der Sammlung seit 1948 strukturiert nachzeichnen, während im Hauptteil die einzelnen Bereiche bibliothekarischer Arbeit unter Auswertung statistischer Untersuchungen sowohl in ihrer Entwicklung als auch in ihren gegenwärtigen Situation dargestellt werden. Abschließend wird die vom Exilarchiv bereits selbst aufgeworfene Frage des Fortbestands bei absehbarer Vollständigkeit des Sammelguts diskutiert. In vergleichender Absicht schließt sich die jeweils kurze Beschreibung der weiteren wichtigen Sonderbestände zum deutschen Exil 1933-1945 in der Bundesrepublik und der ehemaligen DDR an. Zur Gesamtdarstellung der Frankfurter Exilsammlung gehören die im Anhang angefügten Verzeichnisse, die das Ergebnis wichtiger Teilarbeitsbereiche dokumentieren (Nachlässe, Ausstellungen, Veröffentlichungen).