Von der Krise des Subjekts ist die Rede, von seinem Ende gar. Medientheorien sprechen von der Codierung des Bewusstseins, Life-Sciences wie Gen- oder Nanotechnik sprechen von der absehbaren evolutionären Überwindung des Individuums. Die Neurobiologie erkundet die Funktionszentren des Gehirns und stellt die Rolle des Geistes in Frage. Seit PISA ist die Rede von sektorieller Kompetenzbildung, das Ziel einer ganzheitlichen Persönlichkeitsbildung gilt als veraltet.Diese Entwicklungen im Bereich der Bildungspolitik, der Wissenschaften und der Medienkultur haben weitreichende Folgen. Sie konturieren implizit oder explizit ein Bild vom Menschen, in dessen Realisierung sie Energie, Zeit und Geld investieren. Eine zeitgemäße Bildungsdebatte muss sich diesen Herausforderungen stellen. Bildung im ästhetisch-künstlerischen Bereich ist hier umso mehr gefordert, als sie in diesen Debatten bislang keine Rolle spielt. Elementare menschliche Eigenschaften drohen damit aus dem Blick zu geraten und in einer zukünftigen Bildung ausgegrenzt zu werden.Die Tagung 'Menschenbilder - Menschen bilden' lud im Herbst 2004 profilierte Vertreter aus der Erziehungs- und Medienwissenschaft, aus der Neurobiologie und der Kunstvermittlung ins Kunstmuseum Wolfsburg und in die Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig ein. Sie waren aufgefordert, aus der Sicht ihrer Disziplinen Perspektiven zu eröffnen auf die gegenwärtige Problematik des Subjekts, auf die Bedeutung von Bildern für sein Welt- und Selbstverständnis sowie auf Herausforderungen für eine zeitgenössische Bildung in diesem Kontext.Der Tagungsband versammelt die Beiträge der Referenten, die die Thematik in einer großen Spannweite und mit unterschiedlichen Akzenten erörterten. Der Kölner Medienwissenschaftler Hans Ulrich Reck sieht in den neuen Technologien eine normative Bilderpolitik im Namen der Freiheit am Werke, demgegenüber erkennt der ehemalige Leiter des Frankfurter Museums für Moderne Kunst, Jean Christophe Ammann, in der Kunst der letzten Jahre eine neue Tendenz zur Materialität. Während der Darmstädter Erziehungswissenschaftler Horst Rumpf der PISA-Studie eine Opferung der 'Welt als Ausdruck' zugunsten der 'Welt als Sache' nachweist, erforscht der Lübecker Informatiker Michael Herczek neue Formen gemischter physischer und digitaler Handlungsräume im Bereich künstlerisch-ästhetischen Lernens.Thomas Peschel, studierter Musiker und Neurobiologe an der Medizinischen Hochschule in Hannover, plädiert für eine breite Förderung der neuronalen Plastizität des Gehirns und weist künstlerischen Bildungsprozessen dabei eine besondere Bedeutung zu.Vonseiten der Kunstpädagogik setzen sich Beiträge von Manfred Blohm und Christine Heil, Carl-Peter Buschkühle, Tanja Hehmann, Clemens Höxter und Joachim Kettel mit den Thesen der Referate auseinander und erörtern ihre Bedeutung für eine Bildung im ästhetisch-künstlerischen Bereich. Sie greifen dabei Aspekte aus den Diskussionsrunden der Tagung auf.